Strukturelle Integration mit Kindern und Jugendlichen

Anwendungsgebiete:

haltungsverbesserung-bei-jugendlichen

  1. Störungen der natürlichen leiblich-seelischen Entwicklung,
    z.B. eine Entwicklungsverzögerung. Wir beobachten immer wieder, dass diese Kinder im Verlauf der Behandlung solche Stagnationen überwinden.
  2. Bewegungseinschränkungen oder Haltungsprobleme,
    manchmal verbunden mit chronischen Schmerzzuständen. (27% aller Schüler im Alter von 6-12 Jahren leiden an Kreuzschmerzen, ab dem 13.Lebensjahr sind es 50%). Die Probleme lassen sich umso besser beeinflussen, je früher sie angegangen werden. Etwa 30% der Kinder (7-14 Jahre) fehlt eine ausreichende sensomotorische Koordinationsfähigkeit. Beinahe die Hälfte der 6-10jährigen ist unfähig, auf einem Balken das Gleichgewicht zu halten. Viele können nicht einmal mehr rückwärtsgehen. Der Anstieg von Unfällen in den Grundschulen lässt sich auf mangelnde Koordinationsfähigkeit zurückgeführt. Die heute zunehmend verbreitete Korrektur von Biss und Zahnstellung ist meistens kein rein lokales Problem. Während des ganzen Lebens ändern sich die Zahnstellung, der Gesichtsschädel und die Schädelbasis. Sie passen sich langsam der Haltungsbelastung von Körper und Kopf an. Der Biss ist immer auch Ausdruck der Dynamik und Statik des gesamten Körpers. So sind Seitabweichungen beim öffnen des Unterkiefers meist bedingt durch die Gesamtsituation des Körpers. Es ist sinnvoll, mit Struktureller Integration und Osteopathie Fehlformen entgegenzusteuern bzw. sie zu korrigieren.Die Erkrankung Morbus Scheuermann tritt während des vorpubertären Wachstumsschubs auf. Hormonell oder durch Vererbung geschädigte Wachstumszonen des vor-deren Wirbelsäulenabschnitts führen zu keilförmiger Verformung der Brustwirbelkörper und unter dem Einfluss der Schwerkraft zum Rundrücken. Ein seelischer Auslöser des geschilderten Krankheitsbildes kann sein, dass das Kind sich innerlich gedrängt fühlt, zu früh ein kleiner Erwachsener sein zu müssen. Wie stets beim Rundrücken liegt der Schlüssel zur physiologischen Veränderung nicht in der Behandlung des Rückens, sondern in der Verlängerung verkürzter Gewebestrukturen der Rumpfvorderseite.Beim „Plattfuß“, der mit verdickten Fußknöcheln einhergeht, handelt es sich meist nicht um ein – ursprünglich intaktes – zusammengesunkenes Fußgewölbe, sondern vielmehr um einen nicht zur Gewölbebildung entwickelten Kinderfuß. Der Senkfuß ist für die Wachstumsphase des Kindes, in der es noch nicht laufen kann, normal. In dieser Phase ist so mancher Fuß stehengeblieben. SI kann die Entwicklung wieder in Gang bringen, auch wenn die Resultate zunächst mehr spür- als sichtbar sind. Denn das Entstehen sichtbar höherer Fußgewölbe braucht längere Zeit.Körperliche Handicaps wie eine zusammengesunkene Haltung, ein „tolpatschiger“ Gang, ein ungelenkes Auftreten, ein für körperliche Aktivitäten unbrauchbares Bein etc. können vor allem bei Kindern Unsicherheit und Minderwertigkeitsgefühle hervorrufen. Es liegt auf der Hand, was eine körperliche Veränderung für diese Heranwachsenden bedeutet.
  3. Erkrankungen, die nicht oder nur z.T. mit dem Bewegungssystem zu tun haben Beispiel Asthma. (Knapp 14% aller deutschen Kinder haben Asthma.) SI geht auf verschiedene Aspekte der Erkrankung ein:
    • Die Weitung des Brustkorbs und die Entspannung des Rückens vergrößern den Atemraum.
    • Manuell kann man das Ausatmen fördern und damit das Einatmen verbessern.
    • Spezifische Techniken unterstützen vegetative Entspannung.
  4. Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen ist ein zunehmendes Problem mit vielfältigen Ursachen gesellschaftlicher, pädagogischer und seelischer Natur. Die gesamte Körperrückseite der Betroffenen ist verhärtet und verkürzt durch das Tragen des überschüssigen Gewichts. Der Gang ist roboterhaft, die Beine werden scheinbar von Armen und Füßen her bewegt. Einerseits sind diese Kinder/Jugendlichen in Bezug auf Bewegung häufig antriebsschwach, andererseits sind sie innerlich mit Energie geladen. Die Körperstruktur ist fast immer die gleiche: Hohlkreuz, nach vorn-unten gekipptes Becken, x-Beine und Senkfüße. Neben sozialpädagogischen, psychotherapeutischen, tanztherapeutischen und diätetischen Maßnahmen kommt SI erfahrungsgemäß eine Schlüsselstellung zu.
  5. Seelische Schwierigkeiten.
    Mädchen vor der Behandlung mit 7 Jahren, nach zehn Sitzungen und ein Jahr später.

    Mädchen vor der Behandlung mit 7 Jahren, nach zehn Sitzungen und ein Jahr später.

    Diese sind oft einhergehend mit chronischen Verspannungen. Der Verlust eines Elternteils durch Tod oder durch Trennung der Eltern ist – neben anderen Traumata – ein häufiges Thema kindlichen Leids. In abgeschwächter Form taucht es auch dort auf, wo ein Elternteil zu wenig Zeit für das Kind hat. Miriam (13 Jahre) litt unter der Scheidung ihrer Eltern. Das äußerte sich in einer Entwicklungsverzögerung und in einer Migräne, die bereits mehrere Jahre andauerte. Außerdem konnte sie sich schlecht konzentrieren. Durch SI durchlebte sie körperlich wie seelisch einen Entwicklungsschub und ihre Symptome verschwanden. Auch heute – sieben Jahre später – ist sie beschwerdefrei und selbstbewusst.

    Selbstverständlich gibt es auch in einer „intakten“ Familie Zeiten, die von Konflikten zwischen Kind/Jugendlichem und Eltern geprägt sind. SI kann Heranwachsende darin unterstützen, ihre seelisch-leiblichen Resourcen zu mobilisieren und gereift aus solchen Auseinandersetzungen hervorzugehen. Die Erfahrung zeigt, dass SI eine Reihe von Möglichkeiten hat, positiv auf die Selbsteinschätzung und das Verhalten von magersüchtigen Mädchen zu wirken. Die Behandlung von Wirbelsäule und Bauchgegend sowie die Integration von Einzelveränderungen in einen Gesamtkontext von Struktur, Bewegung und Wahrnehmung spielen dabei eine wesentliche Rolle. Ergänzend sind Tanz und/oder Tanztherapie günstig.

  6. Förderungsmöglichkeiten für das musizierende und das sporttreibende Kind. Da ist z.B. die jugendliche Ballettänzerin, die sich in Beinen und Becken als sehr frei beweglich empfinden mag, mit ihren Möglichkeiten des Ausdrucks in Schultern und Brustkorb aber vielleicht unzufrieden ist oder Gelenkproblemen vorbeugen möchte. Beim Ballett führt die geforderte – physiologisch problematische – Haltung nicht selten zu Gelenkschmerzen und erhöhter Verletzungsgefahr. Ein junges Mädchen lernt Geige spielen. Die Haltung, welche eine Geigerin ständig einnehmen muss, führt oft zu chronischen Nacken- und Schulterverspannungen, verbunden mit einer Drehung des rechten Oberkörpers nach vorn. Dies beeinträchtigt nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch den künstlerischen Ausdruck und die Feinheiten der Tonfärbung.SI kann Koordinationsfähigkeit und Beweglichkeit im Sport verbessern. Der Grund: Ein größeres strukturelles Gleichgewicht und die fließendere, harmonische Muskelaktivität münden vielfach in mühelosere, effektivere und anmutigere Bewegungen. Das Verletzungsrisiko im Sport, etwa beim Fußball, hängt wesentlich davon ab, ob der Organismus genügend Durchlässigkeit für Bewegungsimpulse besitzt.

Behandlung

strukturelle_integration-bei-Kindern

Generell ist SI für jedes Alter geeignet. Das Alter zwischen sieben Jahren und dem Beginn der Pubertät ist oft das „dankbarste“, denn die Kinder sind offen, arbeiten gut mit und besitzen ein enormes Veränderungspotential. Die Körperhaltung im Pubertätsalter ist oft ein Spiegelbild der inneren Zerrissenheit zwischen widersprüchlichen Gefühlen. Hinzu kommt oft, dass Jugendliche eine betont lässige oder extravagante Körperhaltung und -bewegung zum Selbstschutz brauchen. Es ist daher sinnvoll, im Prozessverlauf zunächst vor allem auf Beweglichkeit, Durchlässigkeit und Stabilität von Bewegung hinzuarbeiten, erst dann auf eine gute Haltung als Ausdruck einer veränderten Struktur.

Die Behandlung besteht zunächst aus einer Basisserie von zehn Sitzungen, die systematisch aufeinander aufbauen und einen in sich abgerundeten Prozess darstellen. Eine Sitzung dauert bei Kindern – je nach Alter – zwischen einer Viertelstunde und einer Stunde. Während Erwachsene meist wöchentlich behandelt werden, variieren die Abstände zwischen den Sitzungen bei Kindern und Jugendlichen zwischen einer Woche und u.U. einigen Monaten. Etwas größere Abstände sind bei Kindern/Jugendlichen sinnvoll, weil wir so die Entwicklung über einen längeren Zeitraum verfolgen können und schon kleine Impulse weitreichende Wirkungen haben können. Oft erweist es sich als günstig bzw. nötig, jährlich eine oder mehrere Nachsitzungen zu machen, bis das Wachstum abgeschlossen ist.

Während des Prozesses der SI wird die Behandlerin dem Kind/Jugendlichen ab und zu „Hausaufgaben“ in Form von bestimmten Körperübungen mitgeben. In der Zeit zwischen den Sitzungen erleben die Kinder außer den strukturellen und bewegungsbezogenen Veränderungen häufig auch ein verändertes Verhältnis zu sich selbst und zu ihrer Umwelt. Manchmal ist es bei älteren Kindern wichtig, diese Erfahrungen und Wahrnehmungen zu besprechen, damit sie in die Persönlichkeit und in das Leben integriert werden können. Ein optimaler Behandlungserfolg erfordert ein waches Begleiten von Seiten der Eltern in dieser Zeit – eine Aufgeschlossenheit für neue Reaktionen und Verhaltensweisen des Kindes.

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