Zeitschriftenbeitrag über Strukturelle Integration
Der Vielfalt der Bewegungsabläufe und Haltungen eines Menschen liegen bestimmte strukturelle Muster zugrunde, d.h. die individuelle und spezifische Form seines Körpers. Die Körperstruktur eines Menschen bestimmt den Spielraum, innerhalb dessen er bestimmte Haltungen / Bewegungen einnehmen kann. Umgekehrt prägen Bewegungen/Haltungen, die immer wieder nach dem gleichen Muster ablaufen, die Struktur langfristig.
Alle Faszienmembranen (Muskelfaszien, Organumhüllungen, Sehnen, Bänder usw.) werden als das dem Körper Form gebende Organ der Struktur angesehen (Abb.1). Die Faszien, welche wie ein kontinuierliches Netzwerk den ganzen Körper als Bindegewebe umgeben und innerlich durchziehen, sind in ihren räumlichen Beziehungen und in ihrer passiven Eigenspannung plastisch und formbar. Diese Formbarkeit ist ursächlich für Strukturveränderungen negativer Art, kann aber auch für positive Wandlungsprozesse genutzt werden. Die Schwerkraft stellt den übergeordneten Bezugsrahmen dar, der den Zusammenhang von Struktur und Bewegung bestimmt.
Die Schwerkraft vor allem ist es, die permanent Zug- oder Druckspannungen im Körper erzeugt. Die Strukturelle Integration geht von einer optimalen Struktur aus, bei der (im Stehen) jedes Körpersegment mit seinem Schwerpunkt vertikal über den Schwerpunkten der darunter liegenden Segmente ausbalanciert ist.
Durch den Prozess der Strukturellen Integration organisiert sich der Körper neu im Verhältnis zur Schwerkraft. In diesem Idealfall braucht der Mensch nur wenig aktive Muskelkraft, um sich aufrecht zu halten, da die Richtung der Schwerkraftachse des Körpers zusammenfällt mit der der Schwerkraft diametral entgegengesetzten Achse der Stützkraft vom Boden her (Abb.2, rechts). Wenn die Segmente sich nicht vertikal übereinander befinden, müssen das fasziale Netzwerk und die Muskulatur den Körper stabilisieren (Abb.2, links). Kurzfristig sind es die Muskeln, die dann mit erhöhtem Energieaufwand ein hinreichendes Gleichgewicht aufrechterhalten. Langfristig jedoch wird dies durch Verstärkungen und Verkürzungen in bestimmten Faszienabschnitten bewirkt.
Strukturelle Abweichungen sind möglich in Form von Verschiebungen sowie als Rotationen und Kippungen der Segmente um die drei Raumachsen. Kennzeichnend für eine ungünstige Körperstruktur ist, dass der Körper ein System von Kompensationen aufbaut, um sich in einem – allerdings energieaufwendigen – Gleichgewicht zu halten. Diese Kompensationen bedingen sich gegenseitig. Die Ursachen für strukturelle Abweichungen sind vielfältig: Unfälle, Krankheiten, Operationen, soziokulturell oder familiär bedingte Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten, seelische Probleme und Traumata, chronischer Stress usw. Unter dem ständigen Wirken der Schwerkraft überlagern und kombinieren sich all diese Einflüsse im Laufe der Lebensgeschichte zu strukturellen Mustern, d.h. die räumlichen und Spannungsverhältnisse im myofaszialen Gewebe verfestigen sich.